Das Wetter versprach anständig zu werden, doch kaum war das Zelt aufgebaut, verdunkelte sich in wenigen Minuten der Himmel und es goss in Strömen. Morgen früh sollte ich also 300 km in Angriff nehmen, ich erwischte mich dabei, das Ganze in Frage zu stellen.
Kinder plärrten bis in die Nacht, unaufhörliches Schlagen von Türen und Klappen. Ich hatte den Eindruck, die internationale Automobilindustrie hatte sich hier zum Stresstest getroffen. Und ich hatte doch nur noch 2 Stunden, Startzeit um 2:58h, der Wecker stand auf 1:30h.
Offenbar erinnerte sich das Wetter an das, was in der Vorhersage prognostiziert wurde. Als ich aufwachte begrüßte mich ein riesiger Mond an klarem und hellem Himmel.
Schnell was reingestopft, in die Klamotten und aufs Rad. Straße trocken, es war gar nicht so kalt, vielleicht ließ auch das Adrenalin mein Blut kochen. Viel zu früh war ich dann am Start, perfekt organisiert wurden Massen von Radlern durchgeschleust. Ich hatte noch 30 min und es wurde doch irgendwie kalt.
Endlich meine Gruppe, wir bewegten uns in die Aufstellungszone. Es war exakt 2:58h und bereits taghell. Ob ich eine Beleuchtung hatte oder nicht hat schon niemanden mehr interessiert.
Dann ging es endlich los, ein Motorrad führte die Gruppe aus den Innenstadt. Guter Zeitpunkt die "Anderen" zu beäugen, schließlich hatte ich nicht wirklich vor, die Nummer allein zu managen.
Moped weg, wir traten an. Wirklich ? Nein. Die Chause kam nicht richtig in Gang, zu viele Einzelfahrer, alle warteten wie auch ich. Wir strampelten mit 30 gegen den Wind, das sollte Seeabwärts auch zunächst so weitergehen, bis es dann auf der Gegenseite wieder hoch ging, dann mit Schiebewind.
Dann kamen sie angerauscht. Eine Gruppe von etwa 20 Fahren, alle im gleichen weißen Vättan-Dress. Meine Chance, drangehängt. Wir sammelten naturgemäß einen ordentlichen Schwarm auf, jeder ambitionierte Fahrer hing sich dran. Aber wir wurden weniger, auch von den eigenen Mannen der Ursprungsgruppe konnten nicht alle mithalten. Mit fetten 40 km/h ging es stetig voran, gegen den Wind.
Es dauerte nicht lange, und es blieben lediglich sieben Weiße über, und eben ich, in Oranje. Und immer weiter deutlich über 40, wo immer es ging. Vorbei war es mit reinhängen, man erwartete Führungsarbeit zu gleichen Teilen.
High-Speed in der Ebene, zumal noch gegen den Wind, ist nicht so mein Ding.
Nach etwa zwei Stunden dann begann es schwer hügelig zu werden und ich konnte mir Akzeptanz der Gruppe erarbeiten, erste Gespräche begannen. Das Südende des Sees war bald passiert, jetzt also mit Rückenwind weiterblasen. Das Team hat perfekt funktioniert, ich hätte mir zeitigere Wechsel gewünscht.
5 Stunden Fahrt bisher, achtlos hatten wir alle Stopps rechts liegen lassen. Anfangs hatte ich es noch belächelt, die Jungs waren bis auf die Zähne mit Trinkflaschen bewaffnet. Ich hatte genau zwei. Mich beschlich ein komisches Gefühl : "Are you guys planing to have a stop at some point?" Die schlichte Antwort : "Nope".
Das war's. Ich wusste, das ich das so nicht würde durchhalten können. Wir jagten weiter und ich dachte einfach nur weiter so lange es geht. Die Sonne stieg höher, es wurde wärmer, und meine Hoffnung sank.
"I am running dry, can you help me out?". Aber soweit ging die Liebe nicht.
Weitere 70 km habe ich dann trocken hinter mich gebracht. Das konnte nicht gutgehen, wir kamen an die nördliche Seespitze, noch 60 km. Jetzt wieder gegen den Wind und die Waden fühlten sich komisch an. Okay, dann eben nicht, wollte nicht Mosi-like abkrampfen und stieg bei Kilometer 260 vom Rad.
Hektisch Pippi machen, Flaschen füllen, was Salziges essen. Nach wenigen Minuten wieder aufs Rad, fühlte sich gut an. Eigentlich. Aber da war niemand mehr mit dem ich fahren konnte, rollte von hinten an langsamen Fahrern vorbei. Es wurde schmerzlich, Gegenwind und die verdammten Wellen im Gelände machten so keinen Spaß. Inzwischen hatte ich einen Haufen Lutscher eingesammelt. Zwei davon blieben dran, ich konnte sie, wenn auch nur schwer, davon überzeugen wenigstens kurz mal Führungsarbeit zu machen.
Das Ziel kam näher, noch 20 km, die Beine lahm aber das Wasser tat gut. Beißen. Stadtgrenze, die beiden fielen ab in den engen Kurven von Motala. Die letzten Kehren, Zielsprint, fertig.
8 Std 34 Min sagte die Uhr. Es gab eine Medaille, ein Foto. Ich wollte nur noch Bier, und etwas gescheites essen. Und da waren sie, meine Gruppe saß im Gras und freute sich mich zu sehen. 10 Minuten hatten sie mir schließlich noch abgenommen, egal.
Vom Land habe ich leider nicht so richtig was gesehen, außer vorbeifliegende Wälder, Felsen, Seen und Blockhäuser - Schweden halt.
Stefan
Kommentare: 3
Hallo Stefan,
bestimmt ein Abenteuer und sicher eine tolle Runde.
Es wird ja viel zu wenig "genöhlt" bei uns Radländern, daher mal (vielleicht konstruktive??) Kritik:
Was mir immer weniger einleuchten will: Warum man es auf solchen doch nun wirklich besonders schönen Touren so eilig haben muss. Für die gewonnene (wieso eigentlich "gewonnene"?) Zeit von Land, Leuten und der Strecke kaum etwas mitbekommen. Ich weiß nicht, wäre nicht (mehr) mein Ding....
Gruß und bis bald Harti
Das hört sich an, als ob im nächsten Jahr ein paar mehr "Radland-Elche" dabei sein sollten. Dann warten wir am Ende im Gras von Schweden ;-) ! Hochachtung Stefan, starke Leistung!
Micha
Moin nochmal,
Frankie-Boy, schnell gucken kann ich noch recht gut (auch wenn ich für die "Vorsicht Hartmut-Schranke natürlich dankbar bin) - aber schnell fahren.?? Obwohl, gestern Abend in Leveste - es waren nur cm...
Soweit ich weiß, kurven da oben auch allerhand "Nicht-Rennräder" herum, auf alle Fälle mal kein Rennen. Das ist komplett individuelle Geschmackssache, ich würde jedenfalls mehr von dem "Drumherum" mit nach Hause nehmen wollen.
See you. Harti
NS. Habe schon einige Ideen für einen kleinen Bericht zu gestern Abend. Mal sehen....
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