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Ho un sogno – Ich habe einen Traum.

[06. 09. 2017]

Martin Luther King hatte einen anderen Bezug. Die Veranstalter jedenfalls haben gewagt, den Ötztaler mit dieser berühmten Aussage zu betiteln.

Im September 2016 stand ich in Sölden gemeinsam mit Sven vor dem Plakat des Ötztalers, der 2 Tage nach unserem kurzen Ausflug in die Berge stattfinden sollte.

Nein, ich hatte keinen Traum und wohl auch keine Vorstellung davon, was der Ötztaler „bedeutet“.

Ich schrieb in einer kurzen SMS nach unserer Rückkehr „Ich habe mich entschieden. Ich fahre den Ötztaler.“

Nach der Erkenntnis, dass sich 20.000 Fahrer bewerben und  nur 4.000 Teilnehmer per Los zugelassen werden, war eine kurze Ernüchterung da. Binnen kurzem jedoch stellte sich heraus, dass mit dem Einkauf eines Vorbereitungstrainings, in Sölden versteht sich …, eine Startplatzgarantie erworben werden kann. Und erst als dies vollzogen war, wurde mir bewusst, dass es keinen Weg mehr zurückgibt. Vorsorglich habe ich allen, wirklich allen (!), erzählt, dass ich am Ötztaler Radmarathon teilnehme ;-)

Nach kurzer Crosser-Saison startete das Training im Grunde Ende Februar. Ich bin viel mit Sven und Thomas gefahren, Euch noch einmal vielen Dank! Einige Touren mit den Radländern, einige RTF und auch Grischa war behilflich. Die meisten km bestritt ich allein. 5.700 km. Über 60.000 Höhenmeter.

Mein besonderer Dank Dir, lieber Mathias, für die stetige Motivation und die perfekte Vorbereitung des Equipments!

Der Ötztaler.

Am Sonntag, den 27. August befinde ich mich um 06.15 Uhr in einer unbeschreiblichen Szene. Vor mir etwa 3.000 Rennradfahrer, hinter mir etwa 1.000. Um mich herum Rennräder im geschätzten Wert von über 15.000.000  Euro.  Über mir kreisende Hubschrauber. Ricardo dabei. Frank dabei. Michl und Bernhard weiter vorn. Man lernt sich kennen. Viele tolle Menschen und engagierte Rennradfahrer. Begegnungen die bleiben.

06.45 Uhr. Start! 4.000 Rennmaschinen setzen sich in Bewegung. Nicht die Räder. Die Menschen. Kaum einer unter 10.000 km gefahren. Kaum einer, der nicht intensiv vorbereitet ist.

Das Feld rast das Ötztal hinab nach Ötz. Pfeifende Ordner vor den Verkehrsinseln winken mit Fahnen. Mitgerissen lande ich in Ötz mit einem Schnitt von 43. Vorbei an einem ersten Gestürzten von Ambulanz und Notarzt versorgt. Keine Zeit für Gedanken dieser Art.

Erster Pass: Ötz nach Kühtai. 17,3 Km, 1.200 Höhenmeter. Gleich am Anfang 16%. Oben, nach 1:36 angekommen, stehen etwa 2.000 Zuschauer an der Strecke. Kuhglocken-Symphonie. Strahlender Sonnenschein. Irre. Ich bin 10 Minuten vor der Trainingszeit und 1,5 Stunden vorm Besenwagen. Schnitt 10,8 im Anstieg.

Dann die Abfahrt nach Kematen. Lang, lang, lang. Steil, steil, steil. Bei 95,6 Km/h Geschwindigkeit bremse ich. Die schnellsten fahren hier deutlich über 100. Einer ist im Tunnel gestürzt.

Den Brenner schaffe ich in 1:32. 38,2 km. 697 Höhenmeter. Schnitt 24,8. Ich schraube mich von Rang 3.438 auf Rang 3.155 hoch ;-) …

Ich bin gut drauf. Versorgungsstation Brenner nur kurz Getränke aufgefüllt, etwas getrunken und weiter geht’s. Wozu auch essen? Ich fühle mich (zu) gut. Der erste Fehler…
In den Jaufen steige ich schnell ein. Es macht wahnsinnig Spaß, ich fühle mich perfekt und starte eine „Strichliste“. Einen überholt, 15 überholt 37 überholt. 102 überholt. Der erste überholt mich, 18 überholen mich, 237, 412. … Am Ende haben mich 534 überholt. Nach etwa 10 km des Non-Stop-Anstiegs von 21,6 km ist kaum mehr Energie da. Zwar fahre ich im Schnitt 11 km/h. Aber der verdammte Berg hört nicht auf. Nach etwa 15 km greife ich zur Wasserflasche. Sie rutscht mir aus der Hand und rollt die Straße hinunter. Es hat gerade 13%. Anhalten? Absteigen? Ich fahre weiter, habe ja noch eine zweite Flasche. In der ist noch genug zu trinken. Zweiter Fehler, denn sie ist fast leer … Endlich aus dem Wald. Noch 3 km. Ich schleppe mich bis zur Labe-Station. 25 Minuten Pause. Trinken, trinken, trinken… Essen, essen, essen. 150 km habe ich hinter mir. Das Aufsteigen aufs Fahrrad fällt mir schwer. Bis hierher steigen am Ende etwa 250 Fahrer aus, der Besenwagen war schneller …. Daran denke ich nicht. Ein Fahrer gibt einem anderen einen Tipp: Jetzt den Pass locker runter fahren und sich erholen! Du brauchst die Kraft, denn dann kommt das Timmelsjoch! (Er spricht es aus mit einer Amargeddon-Betonung (bildsprachlich „der mythische Ort der letzten Entscheidungsschlacht“) Er ist den Ötztaler offensichtlich schon mal gefahren…

Bis St. Leonhard erhole ich mich während der Abfahrt tatsächlich etwas. Salztabletten, Iso-Getränke, Frubiase Sport, Energie-Gels wirken. Der Nacken beginnt zu schmerzen. Den Kopf während einer steilen 15 km Abfahrt hoch zu halten überfordert die Muskulatur.

Dann das Timmelsjoch. 31,4 km (!!) purer Anstieg. Bei Moos endlose Serpentinen mit 13 bis 16 % über 5 km!  Am Ende des Passes 7 km lang erneut 14 - 16%! Höhenunterschied 1.759 Meter. Ich habe noch nie so viele Radfahrer ihr Rad schieben sehen oder sie stehen am Rand und dehnen sich: Krämpfe.

Ich benötige 3:12 h für den Anstieg. 9,8 km/h im Schnitt. Nach Schönau fängt es an zu regnen. Die Temperatur sinkt auf den letzten Kilometern von 24° auf 14°. Der Wind wird scharf. Die Regenjacke habe ich im Hotel gelassen. Beim Aufstieg ist einem ja warm … Der dritte Fehler … Um 17:50 h erreiche ich den Tunnel vorm Pass. Unbeschreiblich. Ich wusste ja bereits, dass ich es schaffen würde. Der Besenwagen 1,5 Stunden hinter mir. Dennoch ein maximal emotionaler Moment. Ich denke an ein halbes Jahr Aufwand. Für diesen Moment. Ich halte vorm Tunnel an und  nehme mir die Zeit, den Regenbogen zu fotografieren. Aus dem Tunnel bin ich heraus und die Sonne scheint. Kitschig, Wahnsinn, wahr.

Um 17:59 h fahre ich durch das Pass-Tor Timmelsjoch. Vorletzte Zeitnahme. Ich bin völlig durchnässt. 2.600 Meter Höhe. Auf der österreichischen Seite nur noch 7°. Ich zittere schneller als ich fahre. Gut gekleidete nehmen hier wieder Tempo auf. 100 km/h keine Seltenheit. Ich schaffe nur 50. Meine Körpertemperatur fühlt sich kritisch an. Ich freue mich auf jeden kurzen Anstieg. Davon gibt es nur zwei. Vor Obergugl herunter bis Sölden rufe ich mir nur noch Durchhalteparolen zu. Am Ende gebe ich noch einmal alles. Habe ich mir doch vorgenommen, unter 12 Stunden zu fahren.

Vor Hunderten entlang der Zieleinfahrt “zittere“ ich mich ins Ziel. Die Uhr stoppt bei 11:59:35. Geschafft. Skurril. Rangplatz 3.105. Ich denke daran, etwas zu trinken, viele sind in Isolierdecken gehüllt. Ich nehme kaum etwas wahr. Ingo begegnet mir. Taumelnd. Ich friere unendlich und setze mich sofort in Bewegung zum Hotel. Mein einziger Gedanke: Duschen. Heiß. Es werden 40 Minuten.

Schon ist der Ötztaler Erinnerung. In Summe war es einfach fantastisch. Ein T-Shirt mit Aufdruck, das ich am Vorabend gesehen hatte, taucht vor meinem geistigen Auge auf:

„Hart, härter, Ötztaler.“

Und jetzt?

Ich habe mich entschieden!

Nächstes Jahr fahre ich wieder!

Ich kann nicht anders.

Es hat mich gepackt.

Wer fährt mit?

Über folgenden Link gelangst Du zu meinen Sportograf Fotos. Einfach auf „Download“ klicken. Am Ende der Fotos das personalisierte Video. Es überträgt die Stimmung.

http://www.sportograf.com/account/signin?checksum=41a46e383965e887b95f70c5ab663828&orderid=12449833917
 

 

Kommentare: 1

1
UserHarti
Date / Time16.09.17 - 18:29

Hammer!!

Ich bin ja mittlerweile in entspannteren Fahrbereichen angekommen, aber Ehre wem Ehre gebührt: Bestimmt ein Eindruck mit Nachhall.

Glückwunsch zur tollen Leistung.

Herzlichen Gruß

Harti

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